05.08.2019

Die Zukunft ist R2-D2

Wie Science-Fiction unsere Vorstellung von künstlicher Intelligenz prägt

von Aleksandra Sowa

„Künstliche Intelligenz hat das Potential, unser Leben grundlegend zu verändern“ – mit diesen Worten beginnt die Studie „KI und Popkultur“, mit der die Gesellschaft für Informatik e. V. das Institut für Demoskopie Allensbach beauftragte, um „mehr über die Vorstellungen der deutschen Bevölkerung“ zum Thema künstliche Intelligenz zu erfahren. 

„Der Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist für uns Wissenschaftler eine Illusion, wenn auch eine hartnäckige.“ (Albert Einstein)

Man ersetze die „künstliche Intelligenz“ durch „Digitalisierung“ oder „Big Data“ – und erhält einen Satz, der derzeit häufig in den politischen Postulaten, Programmen oder ethischen Verpflichtungen aller Art aus der Privatwirtschat zu lesen ist. Für Technologiekonzerne, Automobilhersteller oder Industriekonzerne hätte „das Thema KI höchste Bedeutung“, so die Studie. Ein wenig verwundern darf diese Aussage nicht nur deswegen, dass es aktuell keine einheitliche, allgemein akzeptierte Definition davon gibt, was KI eigentlich ist und somit auch nicht ganz klar sein dürfte, was konkret für die Industriekapitäne dabei bedeutend, noch dazu „höchst“, sei. Alles, was „lernt“, „komplex“ ist oder einfach viele Daten verwendet, scheint sich sogleich als KI zu qualifizieren. Der Bitkom e. V. ist in seinen „Empfehlungen für den verantwortlichen Einsatz von KI und automatisierten Entscheidungen“, die „unter Mitwirkung von Unternehmen entstanden [sind], die Algorithmen und Maschinelles Lernen und Systeme künstlicher Intelligenz erfolgreich einsetzen“[1], gleich zu einer betriebswirtschaftlich geeigneten Definition übergegangen und bezeichnete KI als „Motor für Innovation und neue Wertschöpfung gepaart mit dem Treibstoff Daten“[2]

Intelligente Maschinen

Solange keine Einigkeit darüber herrscht, was KI eigentlich ist, werden unsere Vorstellungen von KI „durch Science-Fiction-Filme oder -Literatur geprägt“[3]. Wie? Genau dieser Frage widmete sich das Institut für Demoskopie Allensbach und befragte im Mai 2019 in insgesamt 1.283 Interviews einen repräsentativen Querschnitt der deutschen Bevölkerung ab 16 Jahren. Dabei wurden die Ergebnisse nicht nur unterschiedlichen Altersgruppen und Geschlechtern zugeordnet, sondern auch die sogenannten Science-Fiction-Kenner hervorgehoben. Zum Sci-Fi-Kenner wurde man, indem man von „den 15 vorgelegten intelligenten Maschinen oder Robotern aus den Filmen oder Serien mindestens 10 als bekannt herausgelegt“[4] hatte.  

In der Auswahl fanden sich „intelligente Maschinen“ aus Filmen, Büchern oder Comics: von älteren Modellen, wie Maschinenmensch aus „Metropolis“, bis zu KI neueren Datums, wie Ava aus „Ex Machina“ oder Agent Smith aus „Matrix“; von humanoiden Robotern, wie Terminator, Commander Data aus „Star Trek“ oder Sonny aus „I, Robot“, über eindeutig als Maschinen identifizierbare Roboter, wie R2-D2 aus „Star Wars“ oder WALL-E aus „Der Letzte räumt die Erde auf“, bis hin zu durch Stimme oder blinkende Lichter sich zu erkennen gebende KI, wie K.I.T.T. aus „Knight Rider“, Samantha aus „Her“ oder HAL 9000 aus „2001: Odyssee im Weltraum“. 

Wer es auf die Liste nicht geschafft hat, ist bspw. die fiese Borg-Königin aus dem Star-Trek-Film, oder der – nicht weniger fiese – Bishop aus dem ersten Teil von „Alien“ (Mother aus „Alien“ ist dagegen vertreten). Insgesamt hat man sich offenbar entschieden, die lange Liste negativer Beispiele um einige positive KI-Charaktere zu ergänzen, wie David aus „A.I.“ oder Jarvis aus „Iron Man“. Auch den Replikanten Roy Batty könnte man zu dieser Kategorie zählen, bekennt er sich in der Schlussszene von „Blade Runner“ doch zur Menschlichkeit.    

Terminator: bekannt, aber wenig hilfreich

Zu den bekanntesten KI-Vorbildern gehört mit 76 % der Terminator, klar vor R2-D2 (von 65 % Respondenten genannt) und K.I.T.T. (59 %). Wenn es allerdings um die Frage geht, welchen Film-Roboter man sich am liebsten als persönlichen Assistenten oder Gehilfen aussuchen würde, führt klar R2-D2 die Liste an, und zwar sowohl bei den Sci-Fi-Kennern als auch bei den weniger Sci-Fi-Interessierten. Erstere würden sich auch, gleich nach R2-D2, von Sonny oder Commander Data helfen lassen, während bei den weniger „Wissenden“ K.I.T.T. anstelle von Sonny tritt. 

„Science-Fiction-Filme erfreuen sich in der deutschen Bevölkerung großer Beliebtheit“, wird in der Studie konstatiert. Doch sind Sci-Fi-Filme offenbar eine Männerdomäne: „Sämtliche zur Auswahl gestellten Maschinen und Roboter sind unter Männern bekannter als unter Frauen.“ In der Reihenfolge der Bekanntheit unterscheiden sich Frauen und Männer in Bezug auf die ersten Platzierungen nicht: Es führt Terminator nach R2-D2 und K.I.T.T. Anders als bei Männern kennen Frauen offenbar WALL-E besser als Jarvis und David aus „A.I.“ besser als die Replikanten Roy Batty, HAL 9000 oder den Maschinenmenschen aus „Metropolis“. 

Robocalypse now

In der Frage, ob es in der Zukunft einen Kampf zwischen Menschen und Maschinen geben wird, unterscheiden sich die Antworten von Männern und Frauen dagegen nicht: Die Bevölkerung ist mit deutlicher Mehrheit (54 %) davon überzeugt, „dass dies nicht besonders wahrscheinlich ist“[5]. Dies ist eine überraschende Erkenntnis im Hinblick auf die Tatsache, wie viele der Sci-Fi-Filme genau die Thematik des Kampfes zwischen diesen beiden Spezies zum Thema haben. Isabella Hermann, Koordinatorin „Verantwortung: Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz“ an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, bezeichnete sie gar als „desaster porn“ und erinnerte an die Forschung von Susan Sontag in den 60er-Jahren: In den Sci-Fi-Filmen ginge es nicht um Technologie oder Wissenschaft, sondern um das Zelebrieren eines Desasters als Kunstform[6]. „[V]iele Filme sind mehr eine Projektionsfläche für menschliche Sehnsüchte und Urängste als eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Chancen und Herausforderungen von KI-Anwendungen“, schrieb Isabella Hermann in ihrem Aufsatz „Wie Science-Fiction den KI-Diskurs verzerrt“. „Der Wunsch, etwas menschenähnliches Lebendiges oder gar Übermenschliches zu erschaffen und damit einhergehend die Angst vor Kontrollverlust und Beherrschung sind wiederkehrenden Grundthemen des Genres.“[7] Offenbar beeinflussen diese Visualisierungen unseren „Glauben“ an Verwirklichung eines solchen Konfliktszenarios nicht besonders stark. Gleichwohl bei den Sci-Fi-Kennern: 39 % solcher, die an den Mensch-Maschine-Krieg glauben, stehen den 45 % gegenüber, die dies nicht tun. Realistischer finden ein solches Szenario unter 60-Jährige eher als über 60-Jährige. 

Die Zukunft hat Exoskelet oder rote Augen

Welche Roboter prägen am meisten unsere Vorstellung von KI? Die Top 5 bilden R2-D2, Terminator, Commander Data, K.I.T.T. und Agent Smith. „Deutlich anders fallen die Aussagen bei jenen aus, die sich mit KI-Charakteren besonders gut auskennen“, so die Studie: Die Liste der prägenden KIs führt dann Commander Data an, gefolgt von Sonny, David, Agent Smith und erst an fünfter Stelle R2-D2. Auch sind die Vorstellungen von KI in dieser Gruppe deutlich „stärker durch Roboter oder intelligente Maschinen aus Filmen oder Serien geprägt“[8], als es bei der Gesamtbevölkerung der Fall sei. 

Doch sind eventuell die humanoiden Darstellungen der KI in den Sci-Fi-Filmen oder Roboter mit blinkenden roten Augen in Wirklichkeit nur eine Ablenkung von echten Chancen und Herausforderungen künstlicher Intelligenz? Oder verzerren sie gar unsere Vorstellung von der Technologie? „KI wird im Film […] zum Mittel, um menschliche Urbefindlichkeiten und sozialpolitische Problematiken mal mit mehr, mal mit weniger Tiefgang zu behandeln“, bewertet Isabella Hermann. „Damit die Story funktioniert, muss künstliche Intelligenz im Film allmächtig und magisch sein.“[9] Die Roboter können irgendwie sehen, hören, fühlen – doch es wird nie erklärt, wie es technisch tatsächlich funktioniert. 

„Gute Grundlagen für einen gesellschaftlichen Diskurs über KI sind ihre Repräsentationen aus Science-Fiction-Filmen also nicht“, urteilt Isabella Hermann. „Wir brauchen ein positives Narrativ für die Zukunft, um von diesen Chancen durch KI Gebrauch zu machen, und andererseits Maßnahmen, um Gerechtigkeit und Chancengleichheit zu erhöhen.“ Das klingt nach einem guten Ziel für das aktuelle Projekt der Gesellschaft für Informatik e. V. „#KI50: Künstliche Intelligenz – gestern, heute, morgen“, mit dem man nicht nur die deutsche KI-Geschichte reflektieren, sondern auch einen Blick nach vorne werfen und das Thema einer breiten Öffentlichkeit besser zugänglich machen möchte[10]. Für Isabella Hermann heißt es konkret: „Diversifizierte Entwicklerteams mit Sinn für den sozialen Kontext von Daten, eine aufgeklärte Gesellschaft und eine Politik, in der demokratische Grundwerte weiterhin zählen.“[11] Dies könnte einerseits mehr demokratische Kontrolle über die Software und andererseits eine Regulierung, die Technologiekonzerne bis dato mit Selbstverpflichtungen umzugehen wussten, bedeuten. Optimalerweise noch bevor ein elektronischer vollkommener Richter Salomon aus dem gleichnamigen Sci-Fi-Roman von Mark Brandis (“Salomon 76“) die (ebenfalls vollkommene) Rechtsprechung für die inzwischen personell gänzlich überforderten deutschen Gerichte übernimmt und die halbe Menschheit zu Strafarbeit in Saturn-Kolonien verurteilt.

Dies, vermutet Isabella Herman, sei aber nicht sexy genug für Science-Fiction-Blockbuster. 
 

[1] Bitkom. 2018. „Empfehlungen für den verantwortlichen Einsatz von KI und automatisierten Entscheidungen“, Berlin, S. 2.

[2] Bitkom, S. 3.

[3] Institut für Demoskopie Allensbach. 2019. „KI und Popkultur“, S. 1.

[4] Institut für Demoskopie Allensbach, S. 5

[5] Institut für Demoskopie Allensbach, S. 9.

[6] Hermann I 2018. „Terminator wird uns nicht retten“, 20.12.2018, https://www.hiig.de/terminator-wird-uns-nicht-retten/, letzter Zugriff: 21.7.2019

[7] Hermann, I. 2019. „Wie Science-Fiction den KI-Diskurs verzerrt“, 11.1.2019, https://www.xing.com/news/insiders/articles/wie-science-fiction-den-ki-diskurs-verzerrt-1976098, letzter Zugriff: 21.7.2019.

[8] Institut für Demoskopie Allensbach, S. 5.

[9] Hermann, I. 2019. „Wie Science-Fiction den KI-Diskurs verzerrt“, 11.1.2019, https://www.xing.com/news/insiders/articles/wie-science-fiction-den-ki-diskurs-verzerrt-1976098, letzter Zugriff: 21.7.2019.

[10] GI. 2019. Pressemitteilung: Allensbach-Umfrage: Terminator und R2-D2 die bekanntesten KIs in Deutschland (25.6.2019), https://gi.de/meldung/allensbach-umfrage-terminator-und-r2-d2-die-bekanntesten-kis-in-deutschland/, letzter Zugriff: 21.7.2019.

[11] Hermann, I. 2019. „Wie Science-Fiction den KI-Diskurs verzerrt“, 11.1.2019, https://www.xing.com/news/insiders/articles/wie-science-fiction-den-ki-diskurs-verzerrt-1976098, letzter Zugriff: 21.7.2019.